Thomas Jablowsky

Theologe- Journalist - Diakon


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Gedanken zu Gott und Welt

von Thomas Jablowsky 28. November 2020
In einer der vielen TV-Talk-Shows, die zum Thema Corona stattgefunden haben, mussten ja auch jeweils die Regeln, die dabei oft besprochen wurden, eingehalten werden. So hat an solch einer Runde eben auch jemand aus dem Home-Office mitgewirkt, eine Ärztin war per Bildschirm zugeschaltet und damit in der Runde anwesend. Unter den tatsächlich im Studio Anwesenden war ein weiterer Arzt. Ihm ist dann im Laufe des Abends die Zwischenbemerkung herausgerutscht „Ich als einziger Arzt in der Runde“, wogegen sich die per Bildschirm zugeschaltete Kollegin sofort wehrte, sie sei auch Ärztin. Ach ja, das mit der Realpräsenz müsse er noch lernen, meinte daraufhin der sich allein fühlende Arzt. Er und weitere Gäste waren tatsächlich real präsent, die andere Ärztin „nur“ per Bildschirm. Ihre Präsenz war offensichtlich weniger real. Für mich als Theologen hat das Wort Realpräsenz gleich noch einmal eine andere Bedeutung und mich angeregt unter dem Beispiel dieses medialen Vorfalles über Realpräsenz nachzudenken. Zum einen redet die katholische Theologie von der Realpräsenz Jesu Christi in den eucharistischen Gaben von Brot und Wein. Jesus ist da, mehr und anders als er sonst da ist, wie er versprochen hat „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“. Es gibt also offensichtlich eine Rangfolge der Anwesenheiten Christi. Er ist ja auch anwesend in der versammelten Gemeinde – wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind. Oder im Wort der Hl. Schrift, insbesondere in den Evangelien. Er ist auch präsent im Priester, der der Eucharistie vorsteht und „in persona Christi“ handelt. Und er bleibt real präsent im gewandelten Brot, das im Tabernakel aufbewahrt wird, um es den Kranken bringen zu können. Das mit der Realpräsenz Jesu müssen wir noch lernen. Das ist in der katholischen Kirche weitaus komplizierter als im Fernsehstudio. Die Realpräsenz Jesu vermittelt sich ja auch immer mittels eines Mediums: Brot und Wein, der Priester, die Gemeinde, das Evangeliar, das sogar kultisch verehrt wird mit Weihrauch und Buchkuss. Und darin, dadurch, damit ist er real präsent, anwesend, kann mitreden, wie die Ärztin mitreden kann in der Talkshow? Auch eingefleischet Katholiken tun sich da schwer, ähnlich wie der Arzt, die die Kollegin am Bildschirm nicht als in der Runde anwesend wahrgenommen hat. Nun kommt aber noch etwas zweites hinzu: In Pandemiezeiten werden mehr als sonst Gottesdienste im Ganzen eben auch medial, über den Bildschirm oder den Lautsprecher des Radios vermittelt. Die sowieso schon im weiteren Sinn mediale Vermittlung Jesu, seine Realpräsenz im Brot oder in der Gemeinde wird noch einmal gefiltert. Geht es ihm da nicht erst recht wie der Ärztin, die gar nicht als zur Talkrunde zugehörig wahrgenommen wird? Keine Sorge, die Moderatorin hat sie schon hineingeholt in die Runde. Aber die Körpersprache war weniger klar, die Moderatorin hat weniger auf ihr stuhlrücken reagiert, wie etwa auf körperliche Reaktion der real im Studio Anwesenden, um sie dann deshalb aufzurufen zum Gespräch. Wenn Liturgie über ein Medium vermittelt wird, müssen die Zelebranten als Quasi-Moderatoren von Zeit zu Zeit die Abwesend-Anwesenden wieder mit hineinnehmen ins Gespräch, in den Dialog, müssen die Teilnahme ermöglichen, indem sie – wie gehört – bewusst auch die Mitfeiernden an den Bildschirmen ansprechen und etwa zum Aufstehen beim Vaterunser einladen. Manche Mitfeiernden aus unserer Gemeinde entdecken die Fernsehgottesdienste als sonntägliche Möglichkeit in die Kirche zu gehen. „Ich gehe in die Fernsehkirche.“ Andere geben zu, dass es schwierig ist, wirklich dabei zu sein, dass sie sich leicht ablenken lassen, dass sie nicht in die nötige Andacht hineinkommen, vielleicht sogar nebenher etwas anderes machen, so wie eben auch beim Krimi gebügelt wird. Wenn wir in der Kirche von Realpräsenz reden, dann müssen wir nicht nur an Jesus Christus denken. Es geht auch um die je eigene Präsenz, die eigenen Anwesenheit, die eigenen Gegenwart im und für den Herrn, das gegenwärtige Dasein vor und mit dem gegenwärtigen Gott. Realpräsenz auf beiden Seiten, ganz direkt, von Angesicht zu Angesicht ohne störenden Bildschirm, der alles nur verflacht.
von Thomas Jablowsky 28. November 2020
Ein Artikel über die Eucharistie ist überschrieben mit „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ . Die Unterzeile weist auf die Eucharistie hin als Akt der Erinnerung an Jesu Tod und Auferstehung. Ein sehr schöner, sehr richtiger Artikel mit einem nachdenklich-kritischen Schluss zur Rolle des Priesters. In der Pandemie gab es in zwei der drei Kirchen des Pfarrverbandes, in dem ich arbeite, wegen der Hygieneregeln bei der Kommunionspendung keine Messe. Dafür Sonntag für Sonntag Wortgottesfeiern (Bis sich das Team zu einem neuen Hygienekonzept entschlossen hat und seither wieder der Priester alle drei Sonntagsgottesdienste zelebriert). In diesen Wortgottesfeiern habe ich bisweilen das Wort der Überschrift aufgegriffen, wenn zum Beispiel einen Heilungsgeschichte im Evangelium dran war. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. So richtig es ist, dass sich dieser Auftrag unmittelbar auf die Eucharistie bezieht, weil er von Jesus beim letzten Abendmahl gesagt wurde, so richtig ist dieser Satz auch, wenn man ihn auf das ganze Leben Jesu, wie es in den Evangelien überliefert wurde, bezieht. Tut das, was ich getan habe, zu meinem Gedächtnis! Wenn ihr Kranke besucht oder Kinder ernst nehmt oder den Menschen, die Menschlichkeit über das Gesetz stellt – tut es in Erinnerung an mich. Tut, was ich getan habe. Sehr schön kommt das zum Ausdruck beim Bericht des Johannes über jenen letzten Abend Jesu mit seinen Jüngern. Hier steht die Fusswaschung im Mittelpunkt. Geht hin und handelt genauso, heißt es da sinngemäß. Dient, beugt euch herunter zu denen, die euch brauchen, macht euch klein. Und tut es immer in Erinnerung an mich, an Jesus. Wenn wir glauben, dass Jesus Christus wahrhaft anwesend ist durch die Erinnerung in der Eucharistie, wenn durch die Erinnerung dieses Brot und dieser Wein der Wein und das Brot des Abendmahles werden, sein Leib, sein Blut, wird durch das erinnernde Tun dessen, was er getan hat, er nicht auch ganz gegenwärtig? Realpräsenz im Nächsten, im Bedürftigen, im Notleidenden (Mt 25). Und dennoch stellt sich mir die Frage, wie die kultische Erinnerung, die ich in keinster Weise abwerten möchte, die genauso gut und wichtig und richtig ist, erhalten bleiben soll, wie es weitergeht in einer sakramentalen Kirche, denen die Möglichkeit zum sakramentalen Handeln in diesem zentralen Vollzug, wie in Achim Budde wunderbar beschrieben hat, in Zukunft möglich sein soll für alle am Ort, für alle, die diesen ohne großen logistischen Aufwand möchten. Buddes Vorschlag, den orientalischen Kirchen entlehnt: „in persona ecclesiae“ statt „in persona Christi.“ Menschen mit einer kirchlichen Beauftragung gäbe es bereits viele, in Deutschland mehr als Priester. Und sie werden von den Menschen auch als solche angenommen, also die Nichtpriester mit einer kirchlichen Beauftragung durch Aussendung und (Diakonen-)Weihe. Wie möchte, wie kann die Kirche für ihren zentralen Auftrag der Erinnerung Jesu, seiner Vergegenwärtigung diesen Pool nutzen? Wie kann den Menschen, den Gläubigen klar werden, dass ihr Tun im Sinne Christi, ihr alltägliches christliches Handeln schon Kirche ist, schon einen spirituellen Wert hat, auch religiöser Vollzug ist? Ganz ohne Anleitung oder gar Vorstehen der religiösen Fachleute? Wie kann verhindert werden, dass die aktuelle Fixiertheit auf den Priester zu einem neuen Laien-Klerikalismus führt? Wie kann das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formuliert hat, ankommen in den Köpfen der kirchlich Verantwortlichen wie auch im ganzen Volk Gottes? Fragen auch für den synodalen Weg.
von Thomas Jablowsky 28. November 2020
Wieder einmal oder noch immer wird die Frage diskutiert, ob der Mensch als Mensch die Freiheit hat über sein Lebensende selbst zu entscheiden, also über Zeitpunkt und der Art des Sterbens. Viele Aspekte wurden und werden beleuchtet in Filmen, Diskussionen und Streitgesprächen. Es liegt mir fern hier die ganze Diskussion in allen Facetten aufzurollen, aber zwei Gedanken scheinen mir in der öffentlichen Diskussion zu wenig vorzukommen. Da ist zum einen die Endgültigkeit des Todes. Entscheide ich mich für den Tod ist das, bis auf wenige leicht konstruierbare Ausnahmen, die einzige, also tatsächlich einer der ganz wenigen Entscheidungen, die ich nicht nur nicht mehr zurücknehmen kann, sondern nicht einmal mehr bereuen kann. Die nicht revidierbaren Entscheidungen, etwa wenn ich mich entschließe würde einen Arm abnehmen zu lassen ohne einen triftigen medizinischen Grund, ermöglichen mir später die Einsicht, dass das eine falsche Entscheidung war. Viele andere falsche Entscheidungen im Leben revidieren wir, arrangieren uns damit oder akzeptieren sie irgendwann. Auf jeden Fall wird diese Erfahrung uns bei weiteren Entscheidungen, womöglich Entscheidungen aller Art, vorsichtiger machen oder überlegter handeln lassen. Wie schon gesagt, bei der Entscheidung für den Tod ist dies mehr als alle anderen Entscheidungen endgültig. Deshalb ist m. E. auch die Todesstrafe abzulehnen. Wer unschuldig einsitzt, kann bei Erkennen des Justizirrtums entlassen werden, wird in aller Regel auch entschädigt und hat zumindest die Chance und Möglichkeit auf einen Neuanfang. Wer irrtümlich hingerichtet wurde, … Nun könnte argumentiert werden, das wisse der Betreffende vorher, der Leidensdruck sei ja so hoch, etc. dass nur noch der Tod in Frage komme. Das sei ja wohl in der Freiheit des Einzelnen, hier die endgültige Lösung zu suchen. Außerdem gehöre da ja ganz schön Mut dazu, sich selbst zu töten. Ich denke das Gegenteil: Selbsttötung ist feige! Wer freiwillig aus dem Leben scheidet, drückt sich vor Verantwortung. Verantwortung ist nämlich die andere Seite von Freiheit. Eine Freiheit ohne Verantwortung ist reiner Egoismus. Der fehlgeleitete Freiheitsbegriff, wie wir ihn in der Corona-Pandemie bei Maskengegnern und Virusleugnern erleben, macht es uns gerade vor. Selbsttötung ist irgendwie immer Flucht. Vor übler Krankheit, vor Schmerzen, vor den Untiefen einer Depression, vor dem Bankrott der Firma, vor der Verantwortung in einer schuldhaften Situation, vor dem Grauen der Einsamkeit, vor was weiß ich noch nicht alles. Wer sich den Dingen, wie sie das Leben bringt, entzieht, entzieht sich der Verantwortung für das eigene Leben. Und dann ist da noch das Leben der Anderen. Keiner lebt für sich allein. Jeder sich noch so einsam fühlende Mensch steht in einem Beziehungsnetz. Denn ohne dieses Netz hätten wir gar nicht überlebt. Ohne dieses Netz wäre man gar nicht so weit gekommen, dass man sich nun vermeintlich entscheiden könnte für oder gegen den Tod. Bei der Begleitung Angehöriger von Menschen, die sich selbst getötet haben, kommt oft genug die Schuldfrage. Hätte ich nicht die Zeichen deuten können? Die Anspielungen verstehen? Den Tod verhindern? Suizid ist für Angehörige anders als ein gewöhnlicher Tod, meist viel schwerer zu begreifen. Bei der Freiheit geht es nie nur um die je eigene Freiheit. Wegen dieses Netzes, auf das der Mensch angewiesen ist, hat Freiheit ihre Grenzen immer an der Freiheit der Anderen. Wirklich frei sind Menschen nur gemeinsam. Wenn aber Freiheit und Verantwortung zusammengehören, wie Henne und Ei, unklar, was zuerst da war, was die Voraussetzung des je anderen ist, dann geht es immer auch um die gemeinsame Verantwortung miteinander und füreinander Eine globalisierte Welt führt uns das drastisch vor Augen. Klimawandel, Flüchtlingskrise, Armut dort und Reichtum hier. Wie kann ich frei sein, wenn für meine Freiheit im Winter Erdbeeren zu kaufen andernorts Menschen das, was sie lieber selbst essen würden, für den reicheren Teil des Weltmarktes hergeben müssen? Wo bleibt meine Verantwortung, wenn ich Orangen kaufe, deren Wasserverbrauch beim Wachstum Menschen das Wasser zum Leben genommen hat? Das sind scheinbar belanglose Beispiele, aber sie zeigen wie verwoben Freiheit und Verantwortung sind. Ernster wird es, wenn es um Mobilität geht oder Geschäfte mit Waffen, um nur einige wenige Stichworte zu nennen. Was hat das mit Selbsttötung oder gar begleitetem Suizid zu tun? Ich kann doch überhaupt nicht überblicken, wofür oder für wen ich profan gesprochen in dieser Welt noch wichtig bin. Jeder ist Teil eines Netzes, meist eines unsichtbaren Netzes. Wer begreift, dass Freiheit und Verantwortung zusammenhängen, kann nicht mehr von einer Entscheidung in Freiheit für den eigenen Tod sprechen, ohne es feige nennen zu können, sich der Verantwortung des Lebens zu entziehen. Außer …, ja es wird immer die Einzelfälle geben, die Moral und Jus und Religion sprengen. Wo es heroischen Mut im Übermaß verlangen würde das Leben auszuhalten. Trotz Schmerzmedizin, trotz hochqualifizierter Begleitung. Leben muss nicht künstlich verlängert werden. Aber noch weniger künstlich verkürzt. Denn davon gibt es kein Zurück. Aber manchmal hilft eben doch nur feige Flucht. Die sollte man aber nicht zum juristischen Regelfall machen.

Notfallseelsorge ist für alle Menschen da


Thomas Jablowsky ist für die katholische Seite der Leiter der ökumenischen Notfallseelsorge im

Landkreis Rosenheim. Ein Gespräch mit dem Notfallseelsorger und Diakon über dessen Arbeit und

seinen Umgang mit den Erlebnissen. Ein Interview von Wanja Ebelsheiser.


° Herr Jablowsky, Sie sind seit 2015 in der Notfallseelsorge tätig. Wie kamen Sie zur

Notfallseelsorge?


Antwort: 2015 wurde ich zum Diakon geweiht. Die Diakonenausbildung ist relativ lang und wird

begleitet von anderen Diakonen, im sogenannten Diakonatskreis. Einer der Leiter dieses Kreises

war Hermann Sauer, der damals die Stelle vom jetzigen Leiter inne hatte, und hat als oberster

Notfallseelsorger der Diözese bei seinen Schützlingen für die Diakonenausbildung Werbung für die

Notfallseelsorge gemacht. Damit hat er bei mir offene Türen eingerannt. Ich hatte bereits vor der

Diakonenausbildung eine zweite Dienstprüfung absolviert, musste damit nicht nicht wie meine

Jahrgangskollegen eine zweite Dienstprüfung machen. Dadurch hatte ich genügend Zeit, um die

Ausbildung zum Notfallseelsorger zu machen, während die anderen ihre zweite Dienstprüfung

vorbereiteten. So bin ich reingerutscht in die Notfallseelsorge, auch weil im Landkreis Rosenheim,

meinem Einsatzort als Diakon, großer Bedarf vorhanden war.


° Wenn Sie zu einem Einsatzort gerufen werden, beispielsweise zu einem Autounfall, wie

können Sie da den Betroffenen konkret weiterhelfen?


Der Autounfall ist das Allerseltenste. Bei einem Autounfall sind die Leute meistens verletzt und

werden zunächst vom Rettungsdienst versorgt. Unverletzt Beteiligte, die nicht vom Rettungsdienst

versorgt werden müssen, gibt es eher in anderen Fällen, wie einem plötzlichen Todesfall oder

Suizid. Letzte Woche habe ich einer Familie beigestanden, wo sich die knapp 40-Jährige Tochter

suizidiert hat. Das sind viel häufigere Fälle als Autounfälle. In den acht Jahren meiner Tätigkeit bin

ich erst einmal auf die Autobahn gerufen worden.


Vor Ort müssen wir uns immer an die Situation anpassen. Grundlegend ist: Vor Ort bin ich erstmal

einfach da und habe Zeit für die Betroffenen. Alle anderen haben keine Zeit. Die Polizei muss die

Todesursache recherchieren, der Rettungsdienst muss die Verletzten versorgen, die Feuerwehr muss

das Gelände absperren, da bleibt keine Zeit für die Menschen, die da rumstehen und eigentlich

„nichts“ haben. Natürlich haben die etwas, nämlich eine große Betroffenheit und Sorge darum, wie

es weiter geht. Zu meinen Aufgaben gehört auch, eine Perspektive zu schaffen. Oft bin ich der

Berater und erkläre, warum man jetzt das Beerdigungsinstitut holen kann, oder warum jetzt auf

einmal die Polizei auftaucht. Oft bin ich Anwalt und Vermittler für die Betroffenen.


Außerdem helfe ich mit, soziale Ressourcen zu erschließen. Die Betroffenen sind mental

ausgeschaltet, die können in einer belastenden Situation nicht mehr richtig denken. Da muss man

den Menschen helfen, ihr Denken wieder in Gang zu bringen. Das Ziel unserer Tätigkeit besteht

darin, die Menschen zu aktivieren, ihre Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Wie das

funktioniert, ist bei jedem anders.


Der letzte Punkt: Es gibt auch eigene Ressourcen der Betroffenen. Wenn ich in einem Gespräch

beispielsweise herausfinde, dass es dem Betroffenen wichtig wäre, seinen Hund zu streicheln, helfe

ich dabei, dass der Hund beikommt. Wenn ein Betroffener joggen gehen will, biete ihm zumindest

einen gemeinsamen Spaziergang an. So kommt der Betroffene wieder ins Reden und Handeln und

kommt so nach und nach wieder an den Punkt, alleine weitermachen zu können.

« Kommen die Betroffenen vor Ort aktiv auf Sie zu, oder müssen Sie an die Betroffenen

herantreten?


Es kommt beides vor. Es gibt solche, die anfangs noch meinen, niemanden zu brauchen. Wenn ich

mich dann aber drei Stunden später verabschiede, bedanken sie sich dafür, dass ich da war. Wenn

Leute sagen, sie bräuchten keine Kirche, sage ich denen: Ich bin erstmal als Mensch hier, nicht als

Kirche. Es gibt aber auch solche, die sofort anfangen, mit mir zu reden und sich über die

Unterstützung freuen.


« Was macht für Sie einen guten Notfallseelsorger aus? Was muss man mitbringen an

Fähigkeiten?


Man braucht Flexibilität, Improvisationstalent und eine richtig dicke Haut. Man darf nichts

persönlich nehmen, was in diesen Ausnahmesituationen gesagt wird, auch nicht von

Rettungskräften oder der Polizei. Dazu muss man die Grundlagen beherrschen, man braucht eine

solide Ausbildung. Man muss wissen, warum etwas passiert. Wissen, warum etwa der Leichnam

drei Stunden liegen bleiben muss, bis der zweite Arzt kommt. Oder warum die Polizei da ist und so

agiert, wie sie agiert. Dazu muss man kommunikationsfähig sein, im Umgang mit der Feuerwehr

und anderen Einsatzkräften. Nur so kann man als derjenige, der vor Ort richtig denken kann und

Zeit hat, das Richtige tun.


« Sie treffen als Notfallseelsorger auf sehr viel Leid. Wie gelingt es Ihnen, all diese

Erlebnisse zu verarbeiten?


Hierfür sind vor allem drei Punkte entscheidend. Erstens: mein Glaube. Da zu sein für andere, als

Diakon den dienenden Christus zu repräsentieren.


Zweitens: Supervision. Die braucht man im Ernstfall, wie damals, als ich aktiv um die

Unterstützung der Supervision bat, nachdem ich nach einem plötzlichen Kindestot erstmals in totes

Baby im Arm hielt. Das war richtig hart, aber da hat mir die Supervision herausgeholfen.

Gruppensupervision gehört bei uns sowieso ständig dazu.


Und drittens: Professionalität. Dazu gehört, eine professionelle Distanz zu wahren, und sich daran

zu erinnern, dass man selbst nicht Betroffener ist.


In der Pfarreiarbeit, in der ich ja auch noch tätig bin, hab ich jetzt beschlossen, vorerst keine

Beerdigungen mehr zu machen. Um nicht noch ein weiteres Arbeitsfeld mit Leid, Tod und Trauer

zu haben.Dies ist das Textfeld für diesen Absatz. Klicken Sie in das Feld und beginnen Sie mit der Eingabe.

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